Textsinfonien    

Eine Komposition aus Texten, malerischen Kreationen, Gedichten und Fotos



Trip 

nach 

Nicaragua 

 

Drei Monate nach unserer Ankunft in Costa Rica waren wir immer noch nicht im Besitz der Aufenthaltsgenehmigung, obwohl wir sie bereits in Deutschland beantragt hatten. Das bedeutete, das Land für kurze Zeit verlassen zu müssen, um einen neuen Einreisestempel in unserem Pass nachweisen zu können! Wir entschieden uns für einen Trip in das benachbarte, nördlich gelegene Land Nicaragua. Zunächst nur deshalb, weil alle das taten, die zu dieser Maßnahme gezwungen waren! Obwohl zu den ärmsten aller Länder gehörend, soll dort eine "Perle" anzutreffen sein. Granada, eine der ältesten und schönsten Städte Mittelamerikas, mit kolonialem Flair, zauberhaft und romantisch!

Foto: Inga Treu Fotografía 

Die Neugierde geweckt, wählten wir eine Fahrt mit dem Autobus, modern und klimatisiert, das Reiseunternehmen geschätzt und bekannt. Private Fahrzeuge parkt man an der Grenze. Die Formalitäten zu deren Überschreitung sind so lästig, dass man das lieber sein lässt! 


Foto: Inga Treu Fotografía 

Also war das die perfekte Lösung, Tickets mussten rechtzeitig besorgt werden, denn die Busse sind bis auf den letzten Platz ausgebucht! Der Tag der Abreise kam und wir fühlten uns in spannender Erwartung!


Nach fünfstündiger Fahrt hatten wir die Grenze erreicht. Kaum die Füße aus dem Bus, umringten uns Geldwechsler, wedelnde Scheine in den Händen und Hilfe anbietende Personen mit lauten Stimmen, die auf eine Bezahlung ihrer Dienste hofften. Von der Umständlichkeit, dem Gezeter und hin und her möchte ich nicht berichten. Das muss man selbst erleben, sonst kann man es nicht  richtig nachvollziehen! Es gibt Interessanteres zu erzählen! 


Foto: Inga Treu Fotografía 

 

Nach mehr als zwei Stunden wurde uns endlich der Einreisestempel in den Pass gequetscht und wir befanden uns legal in Nicaragua! Die angekommenen 

Gäste wurden musikalisch begrüßt! Ganz im Gegensatz zu den mürrischen und unfreundlichen Grenzbeamten, die uns mit ihrem Verhalten Angst einflößten und Macht demonstrierten! Noch zwei Stunden Weiterfahrt, dann erreichten wir, etwas mitgenommen und genervt unser Ziel! 


Die kolonialzeitliche Architektur Granadas zog mich sofort in ihren Bann! Von der Müdigkeit und den Strapazen der Reise spürte ich nichts mehr! 

Foto: Inga Treu Fotografía 

Es zeigte sich auf den ersten Blick, wofür die Stadt bekannt ist! Historisch wertvolle Gebäude in den unterschiedlichsten Farben! Hier ist die Kunst zu Hause! Wird einem sofort bewusst! 

Foto: Inga Treu Fotografía 

Das vermisse ich in Costa Rica sehr!  Man findet überall Sauberkeit vor. Die Nicaraguaner sind fleißige, zuverlässige Menschen, die auch gerne in Costa Rica Arbeit finden, zum Beispiel bei der mühsamen Kaffeeernte!

Choco Museo Granada  Foto: Inga Treu Fotografía 

Granada wurde 1524 von dem spanischen Eroberer Francisco Hernándes de Córdoba gegründet. Die Landeswährung trägt bis heute seinen Namen. Ökotouristen, Kulturliebhaber oder Abenteurer aus aller Welt lockt die drittgrößte Stadt Nicaraguas an! Mittelpunkt in ihrem Zentrum bildet der Parque Central. Umgeben von der Kathedrale aus dem 16. Jahrhundert und zahlreichen restaurierten Kolonialbauten. In weißen Rüschenschürzen bieten einheimische Frauen Selbstgebackenes an. Ganz typisch für Nicaragua. 

Catedral de Nuestra Señora de la Asunción  Foto: Inga Treu Fotografía 

Hier herrscht ein reger Trubel! Bunt geschmückte Pferdekutschen laden zu einer romantischen Fahrt durch die malerischen Straßen ein! Die Tiere taten mir leid! Den ganzen Tag in der prallen Sonne! Doch die Menschen müssen Geld verdienen! Sind auf den Tourismus angewiesen!  

Foto: Inga Treu Fotografía 

Noch nie sah ich so viele Bettler auf der Straße wie an diesem Ort! Ein Gefühl der Hilflosigkeit bedrückte mich!

Foto: Inga Treu Fotografía 

"Casa de Los Tres Mundos" (Haus der drei Welten) ist eines der farbenprächtigen Bauten. Der österreichische Schauspieler Dietmar Schönherr kaufte 1994 das alte, verfallene Patrizierhaus, ließ es mit originalgetreuen Materialien in neuem Glanz erstrahlen und gründete mit Unterstützung des damaligen Kultusministers von Nicaragua Ernesto Cardenal die Stiftung Pan y Arte (Brot und Kunst).  

Pan y Arte  Foto: Inga Treu Fotografía 

Dietmar Schönherr äußerte sich über sein Projekt in einer Fernsehsendung: "Brot und Kunst sind die wichtigsten Lebensmittel des Menschen. Wir kümmern uns um beides." Hat mich unschlagbar beeindruckt! Und ich war persönlich dort! Für sein Werk wurde er mit mehreren  Preisen ausgezeichnet. Nach seinem Tod floss ein Teil des Nachlasses in die Stiftung. Etwa 200 Gemälde verschiedener Künstler sollen einen Erlös von ungefähr 100 000 Euro erbracht haben, darunter ein Werk von Friedensreich Hundertwasser, welches allein die Hälfte des hohen Betrages ausmachte! 

Foto: Inga Treu Fotografía 

Die kulturelle Begegnungsstätte zieht Kunst- und Kulturschaffende aus der ganzen Welt an. Jungen Nicaraguanern verspricht sie eine Möglichkeit zu Ausbildungen in Musik, Tanz, Literatur, Poesie und Handwerk. Im integrierten Internet-Café findet ein anregender Austausch wissbegieriger Reisenden statt!

Foto: Inga Treu Fotografía 

Granada liegt 47 km südlich der Hauptstadt Managua. Direkt an der Westküste des Nicaragua Sees oder Lago Cocibolca, wie er von den Einheimischen liebevoll genannt wird, in unmittelbarer Nähe des 1345 Meter hohen Vulkans Mombacho.   

Foto: Inga Treu Fotografía 

Er bringt 8 000 km/2 auf die Fläche und ist damit der größte Binnensee Mittelamerikas. 15 Mal größer als der Bodensee.  

Foto: Inga Treu Fotografía 

Auf dem Gewässer beeindrucken etwa 400 kleine Inseln, die bei Vulkanausbrüchen entstanden sind. Meistens in privatem Besitz, mit prachtvollen Häusern bestückt.  Da muss man sich nicht wundern, dass viele US Amerikaner diese Orte als wunderschönen und günstigen Ruhesitz gewählt haben! Auch durften wir einen Schweden kennenlernen, Inhaber einer Insel, mit angenehmem Austausch! Die organisierte Bootsfahrt  bleibt in lebendiger Erinnerung! 

Foto: Inga Treu Fotografía 

Eine Fußgängerzone gleicht einem Potpourri von Farben, die Calle la Calzada führt vom Herzen Granadas aus direkt hinunter zum Wasser. Am Abend erwacht hier das Leben mit Musik und künstlerischen Darbietungen direkt auf der Straße! Entzückende Cafés, einladende Restaurants, fantastische Geschäfte, versprechen genussvolle Stunden mit internationaler Küche!

Calle la Calzada  Foto: Inga Treu Fotografía 

Typisch, die auffallende Besonderheit für Granada möchte ich noch beschreiben. Erwähne sie am Schluss, obwohl sie immer als erstes vor meinen Augen erscheint, wenn ich an die Besuche dort denke. Fast jeder Gebäudekomplex besitzt einen Innenhof, der traumhaft schön gestaltet ist. Hell, freier Blick zum Himmel, mit unzähligen Pflanzen und Blüten, Sitzmöbeln, Brunnen und in den Hotels sogar mit Pool. Die Wände behangen mit einer Vielfalt von Gemälden. Hier sprechen leuchtende Farben und fesseln den Blick! Man erlebt sich eingetaucht in eine andere Welt, aus der man nicht mehr entfliehen möchte! 


Foto: Inga Treu Fotografía 



So viel Gefühl und Inspiration! Und das in einem armen Land! Kunst ist nicht arm oder reich. Sie ist eine Gabe, ein Talent, ein Sehen, ein Wahrnehmen! Man möchte es zum Ausdruck bringen, mit dem Wunsch, andere daran teilhaben zu lassen! Das gehört zu den schönsten Empfindungen des Lebens! In Costa Rica erblickt man wenig davon! Ich habe Granada von Anfang an gemocht. 









Hotel Kekoldi Granada  Foto: Inga Treu Fotografía 

Alle Hotels sind so liebevoll und mit ausgewähltem Geschmack gestaltet, dass sich auch ein anspruchsvoller Tourist wohl fühlt! Der ersten Reise folgten weitere. Mit unseren Gästen. Nicht mehr weil wir mussten, sondern ganz freiwillig! 

Vulkan Mombacho  Foto: Inga Treu Fotografía 

Die lange Rückfahrt nach Costa Rica stand uns bevor, genügend Zeit, Gesehenes und Erlebtes wirken zu lassen. Das Prozedere an der Grenze und am Zoll, nein darin wollte ich mich noch nicht vertiefen!. 


Iglesia de la Merced  Foto: Inga Treu Fotografía 



Versunken in die Architektur und an die Gewissheit, dass sie wie die Musik ein Kulturgut ist, geriet ich ins Träumen! Die Tage, voll verplant mit Aktivitäten, sinnesfüllenden Eindrücken, leckerem Essen, Gespräche in wohltuender Runde, das alles muss nun verarbeitet und sortiert werden! Anstrengend, aufregend, wissensbereichernd! 

Foto: Inga Treu Fotografía 

Nicaragua ist das ärmste und größte Land Mittelamerikas, am dünnsten besiedelt!  Es liegt zwischen Pazifik und Karibik, grenzt im Norden an Honduras, im Süden an Costa Rica! Seinen Reichtum bilden Seen, Vulkane, koloniale Städte! 

Masaya  Foto: Inga Treu Fotografía 

Eine Fahrt mit dem 'Chicken Bus' nach Masaya musste zeitlich eingeräumt werden!  Die Blumenstadt Masaya lockt mit ihrem farbenfrohen Indianermarkt und Folklore. Nach dieser Transporterfahrung, viel zu viel Menschen auf engsten Raum gestopft, versteht man den Vergleich mit der 'Hühnerverladung' . Ist drinnen kein Platz mehr, bietet das Dach noch Raum, alle werden mitgenommen! Hautnaher Kontakt zu den Einheimischen, Verständigung mit Händen und Füßen wo die Sprache versagt, Wind fegt durch die Fenster, Musik, Lachen, Frauen in weißen Rüschenschürzen mit heimischem Gebackenem! Nicaraguanisches Leben pur! 

Parque Central Foto: Inga Treu Fotografía 

Seit 2018 steckt das Land in einer innenpolitischen Krise. Über 300 Menschen sind zwischen April dieses Jahres bis heute bei Protesten ums Leben gekommen! Das relativ hohe Wirtschaftswachstum des kleinen Landes reduzierte sich um die Hälfte! Die mittlerweile schwache Wirtschaft beeinträchtigt das Land nachhaltig, führt unweigerlich auch zu Verlusten im Tourismussektor! Nicht wenige Hotels und Restaurants mussten schließen!  Wie traurig! Das heutige Nicaragua in der Krise ist ein Produkt vieler Jahrzehnte von Diktatur, Unruhen, jugendlicher Hoffnung, Gegenrevolution, Ermächtigung des Volkes, Annäherung  harter Realitäten, Auseinandersetzungen für nationale Souveränität und andauernder US-Intervention.

Restaurant auf dem Nicaraguasee  Foto: Inga Treu Fotografía 

Granada gehört  mit ihren 110 000 Einwohnern derweil zum UNESCO - Weltkulturerbe! Die Stadt wie aus dem Bilderbuch nimmt einen bleibenden Platz in meinem Herzen ein!  Erinnerungen an herrliche Farben, freundliche Menschen mit Sinn für Romantik und Poesie werden ewig in mir leben! 


Noch eine Anmerkung von mir: 

Rubén Darío ist der bekannteste nicaraguanische Dichter und Schriftsteller! Im gesamten Jahr 2016 wurde er in ganz Lateinamerika und Spanien gefeiert! Er begründete vor mehr als 100 Jahren den 'Modernismo' und damit das interkontinentale Fundament zur Erneuerung der spanischsprachigen Poesie!


Seine Worte: 

"Die Dichtung wird so lange existieren, wie das Problem des Lebens und des Todes existieren wird. Die Gabe der Kunst ist eine höhere Gabe, die erlaubt, in das bisher Unbekannte und noch Ungewusste vorzustoßen, in das Ambiente des Traumes und der Meditation. Es gibt eine ideelle Musik, wie es eine Wortmusik gibt. Es gibt keine Schulen, nur Dichter. Der wahre Künstler versteht alle Ausdrucksarten und findet die Schönheit in allen Formen. Der ganze Ruhm und die Ewigkeit liegen in unserem Bewusstsein."

(Rubén Darío 1867 - 1916)

 
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